Eltern können die zweite wichtige Gegenkraft sein – liebevolle Eltern, denen die gemessene Leistung ihres Kindes nicht an erster, sondern bestenfalls an dritter Stelle steht. Ich sehe, dass Jugendliche heute viel mehr als früher Bedarf an Erwachsenen haben, vor denen sie Respekt haben können. Wohlgemerkt: Respekt. Es geht nicht darum, andauernd auf den Tisch zu hauen und zu fordern, dass Grenzen gesetzt werden. Ich sage immer, so ein paar 15- oder 16-Jährige fertigmachen, das kann jeder Trottel. Aber ihren Respekt zu gewinnen, das ist gar nicht so einfach. Was den Jugendlichen fehlt, sind Erwachsene, die ihnen sagen; Pass auf, mein Großer, meine Große, das kriegen wir beide hin – wenn in deinem Leben eine Tür zuschlägt, dann machen wir eine andere auf, oder wir treten sie notfalls ein. Viel dringender als frühere Generationen sind sie auf Bindung und Halt angewiesen, um eine gewisse Selbstzuversicht aufzubauen; sie brauchen Erwachsene, vor denen sie einen bindungsstiftenden Respekt haben. Das ist aber ziemlich genau das Gegenteil eines „Lobs der Disziplin“.
Aus dem Artikel „Problemzeit Pubertät – 15-Jährige fertigmachen kann jeder Trottel“ von Manfred Dworschak, Spiegel-Online, 14.4.2010