Rau unter Rädern? Artikel im Darmstäder Echo

Zum Glück bin ich noch nicht unter die Räder gekommen. Klaus Honold vom Darmstädter Echo war gestern (am 20.4.2010)  hier und hat einen sehr schönen Artikel über meine Arbeit an dem Buch übers Eisenbahnmuseum geschrieben:

Rau unter Rädern – Neue Sicht auf altes Eisen

Fotografie: Der Darmstädter Christoph Rau arbeitet an einem Bildband über das Eisenbahnmuseum Kranichstein

Andere Ansichten: Fotograf Christoph Rau bei der Bildbearbeitung. Foto: Roman Grösser

DARMSTADT. Unten ist sie rot. Oben ist sie schwarz. Darüber flockt Dampf in den weißen Himmel. Nach Kindern und Katzen sind Lokomotiven das wohl beliebteste Motiv der Fotografie. Sind Sonderzüge unterwegs, säumen Heerscharen von Hobbyfotografen die Strecke. Ja, es gibt sogar eigens für die Fans organisierte und von diesen finanzierte ,,Fotozüge”, in deren Wagen niemand reist und keine Güter transportiert werden: Sie dienen allein als Lustobjekt.

Die Eisenbahnfotografie ist fast so alt wie die Eisenbahn selbst – und die feiert in Deutschland heuer ihren 175. Geburtstag. Anfangs wurden Züge ausschließlich von den Herstellern fotografiert – Dokumentation und Werbung. Erst um 1900 erweiterten sich Motive und Motivation: Züge in der Landschaft, Menschen im Bahnhof. Nach dem ersten Weltkrieg wurde an der Technischen Hochschule Darmstadt das berühmte ,,Deutsche Lokbildarchiv” aufgebaut – fotografiebegeisterte Studenten wie Hermann Maey, Carl Bellingrodt und Werner Hubert waren die Gründer dieser Sammlung, die in den späten dreißiger Jahren nach Berlin abwanderte.Der 175. Jahrestag der ersten deutschen Eisenbahnreise ist Anlass, dass nun in Darmstadt erneut eine die Eisenbahn abbildende Fotosammlung entsteht. Ihr Urheber: der Darmstädter Lichtbildner Christoph Rau (52).

Mehr Informationen zu Christoph Raus Eisenbahn-Projekt unter www.christoph-rau.de.

Doch was Rau macht, hat weder mit dem stets auf Vollständigkeit zielenden Ehrgeiz der frühen Eisenbahnberufsfotografen zu tun, noch mit dem nostalgischen Lyrismus der heutigen ferrophilen Fans. Rau verwandelt Gegenstände und ihre Oberflächen in Bilder – nicht selten so abstrahiert, dass sie sich ganz aus ihrer Umwelt lösen. Eine literarische Methode, denn wenn Dinge fremd erscheinen, erzählen sie eine neue, eine andere Geschichte als die gewohnte. Auch Menschen treten so vom Rand ins Zentrum.Raus Blickfeld ist seit Monaten das Eisenbahnmuseum Kranichstein (34). Eigentlich ein Rätsel, dass es noch keine Bildsammlung seiner Schätze gibt – ist das Museum mittlerweile doch selbst eines der größten industriegeschichtlichen Denkmale. Auf ,,offene Türen”, so Rau, sei er bei den Museumsleuten gestoßen, als er ihnen sein Projekt unterbreitete: Fotostreifzüge in alle Ecken, Winkel und Hallen, eine tendenziell unendliche Bildergalerie, die – erste Station – in ein Büchlein mit 250 Abbildungen münden soll.,,Die waren glücklich”, erinnert sich Rau. Vereinschef Uwe Breitmeier (61) lässt Rau freie Hand, so dass er auch mal nachts losziehen kann. Es gibt keine Tabus – Geschichten können eben auch Waggonruinen erzählen, die andere für Schrott halten, die von den Museumsbahnern jedoch als ,,unser Arbeitsvorrat für die nächsten tausend Jahre” bezeichnet werden. Industriehistoriker denken eben langfristig.

Werkstatt-Tür im Eisenbahnmuseum Darmstadt-KranichsteinWerkstatt-Tür im Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein, Foto: Christoph Rau

Rau und sein Darmstädter Verleger Gerd Ohlhauser (,,SURFACE BOOK“) dagegen planen in überschaubaren Etappen – ihr Buch soll zum Tag des offenen Denkmals (12. September) vorliegen, im selben handlichen Kleinformat, in dem vergangenes Jahr bereits das Vademecum ,,Stadt der Künste – 25 Jahre Kunstarchiv” erschienen ist. Raus Bilder mögen wohl manchen Eisenbahnfan irritieren. Viele aber werden erfreut das Gefühl haben, als sähen die Objekte ihrer Begierde das erste Mal.