Geschäftsmodelle im Journalismus – über Mäzenatentum

Danke für die Spende, Leser!

Überall wird gekürzt und gestrichen, entlassen und zusammengelegt – Qualitätsjournalismus ist für viele Verlage kaum noch zu bezahlen. Eine stiftungsfinanzierte Online-Reportage hat nun einen Pulitzerpreis ergattert – ist Mäzenatentum durch große und kleine Spender ein Weg, Medien zu retten?

Sheri Fink hat einen Job, um den sie viele Kollegen beneiden: Die promovierte Ärztin arbeitet für ProPublica. Dieses seltsame journalistische Projekt hat nur einen Auftrag: Zum Wohle der Allgemeinheit – pro Publica eben (lat.: „für die Öffentlichkeit/den Staat“) – gesellschaftlich relevante Themen zu recherchieren, im Web zu veröffentlichen und an andere Medien zu verschenken. Gewinn will und darf sie nicht machen, finanziert wird das von einer Familienstiftung und Spendern.

ProPublica ist also eine Art gemeinnütziger Investigativjournalismus-Verein am Tropf eines Mäzen. In den USA ist das tatsächlich Trend: Das Wort vom „public interest journalism“ macht die Runde, vom nicht gewinnorientierten Journalismus im öffentlichen Interesse.

Am Montag vergangener Woche gewann ProPublica-Reporterin Sheri Fink einen Pulitzerpreis – der erste überhaupt, der je für eine im Web veröffentlichte Geschichte vergeben wurde. „The Deadly Choices at Memorial“ erzählt von zuweilen tödlichen Entscheidungen in einem Krankenhaus in New Orleans während der Katrina-Katastrophe – die Geschichte einer Gratwanderung zwischen Selbstaufopferung und Euthanasie.

Wer hat noch die Puste für große Projekte?

Entstanden ist die Reportage im Rahmen einer monatelangen Recherche unter Verwendung hunderter Interviews mit mehr als 140 befragten Personen. Ein journalistisches Mammutprojekt von höchster Exklusivität und gehörigem Erkenntnisgewinn – kurzum: ein Journalistentraum.

In den meisten Medienhäusern hätte Fink die Geschichte nicht schreiben können. Wenn solche Storys noch entstehen, dann in den großen Häusern. Doch auch die „New York Times“, die als beste Tageszeitung der Welt gilt, nahm dieses Schmuckstück dankend an, als es ihr zur Zweitverwertung in ihrem Magazin angeboten wurde.

Sie ist nicht allein damit. Zu den Abnehmern von ProPublica-Geschichten gehören mittlerweile zahlreiche journalistische Top-Marken. Wer will, darf sich ProPublica-Geschichten nehmen und sie wieder veröffentlichen, solange er sie nicht verändert: Geregelt ist das alles unter der von Projekten wie der Wikipedia bekannten Creative-Commons-Lizenz.

Ein Schutzgebiet für Rechercheure

Als die gemeinnützige Stiftung Sandler Foundation vor zwei Jahren die Idee ventilierte, mit ProPublica quasi ein Biotop für Investigativreporter gründen zu wollen, sollen sich in der ersten Welle über 850 Journalisten auf die anfänglich 28 Jobs beworben haben – Top-Vertreter ihrer Zunft. Insgesamt arbeiten nun rund 40 Personen fest für ProPublica, auf Basis eines von der Stiftung beigebrachten Jahresetats von zehn Millionen Dollar sowie weiteren, kleineren Zuwendungen und Spenden.

Das ist so üppig wie elitär und zugleich gemeinnützig. Es ist der bewusste, gesteuerte Versuch, die Qualitäten einer Branche zu erhalten, die in der Medienkrise verloren zu gehen drohen. mehr…

Von Frank Patalong, 26.04.2010 bei Spiegel-Online